Marktaustrittsbarrieren oder warum unrentable Unternehmen im Markt verbleiben

Warum Sie Marktaustrittsbarrieren kennen sollten

Themen dieses Beitrags

Marktaustrittsbarrieren sind ein wesentlicher Faktor, warum sich Branchen nicht konsolidieren können und sind der Grund, warum auch unprofitable Unternehmen im Markt bleiben, obwohl sie eigentlich aus dem Markt ausscheiden müssten.

Ging es im Artikel über Markteintrittsbarrieren (Markteintrittsschranken) darum, zu verstehen, warum sich immer mehr Konkurrenten in Ihrem Markt tummeln, geht es bei den Marktaustrittsbarrieren darum, warum Ihre Konkurrenten Ihr unternehmerisches Spielfeld nicht verlassen. Es handelt sich dabei um eine Teilanalyse der bestehenden Konkurrenten im Sinne Porters 5 Forces.

Ein Beispiel aus dem Handwerk

Ein Zimmereibetrieb, der kaum Deckungsbeiträge und damit Gewinne abwirft obwohl er der Unternehmer das ganze Jahr hart arbeitet, wird weitergeführt.

Im Volksmund sagt man: „Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel.“

Dieser Betrieb nimmt mit seinem Verbleib im Markt anderen Zimmereibetrieben einen Teil des Marktvolumens weg. Aber warum verlässt dieser Betrieb den Markt nicht, obwohl es gesamtwirtschaftlich sinnvoll wäre?

Die Erklärung bieten die Marktaustrittsbarrieren, die Sie in Ihre strategischen Überlegungen unbedingt mit einbeziehen sollten.

Welche Marktaustrittsbarrieren gibt es?

Es gibt verschiedene Marktaustrittsbarrieren. Dazu zählen

  • Versunkene Kosten
  • Strategische Wechselbeziehungen
  • Emotionale Barrieren
  • Administrative und soziale Restriktionen

Versunkene Kosten

Diese Art der Marktaustrittsbarrieren wird auch als sunk costs oder stranded invests bezeichnet.

Hohe bereits geleistete Investitionen, die nicht in eine andere Verwendungsart überführt werden können, ermöglichen einen Marktaustritt nur noch mit erheblichen Verlusten. Die Investitionen sind bei einem Marktaustritt damit „versunken“.

Beispiele für solche Fälle sind die Kosten für die Errichtung einer Öl-Raffinerie oder spezielle Produktionsstraßen, die sonst niemand verwenden kann.

Der hohe Kapitalbedarf hat damit zwei Wirkungen:

Er verhindert, daß neue Teilnehmer in den Markt eintreten um nur schnell und kurzfristig Gewinn abzuschöpfen, auf der anderen Seite verhindert er auch den Austritt von Firmen, die eigentlich unprofitabel sind.

Damit wird erklärt, warum große Konzerne z.B. aus der Rohstoff und Schwerindustrie es teilweise über Jahre hinweg „aushalten müssen“, rote Zahlen zu schreiben. Ein Marktaustritt wäre wegen der enormen Investitionen in eine Raffinerie oder ein Stahlwerk noch viel teurer.

Durch den Marktverbleib dieser Konkurrenten und der damit vorhandenen Überkapazitäten, die nicht abgebaut werden können, erholen sich die Marktpreise für die anderen Marktteilnehmer nicht mehr. Eine ganze Branche kann somit unrentabel werden.

Eine denkbare Strategie wäre es, die schwächsten Konkurrenten zu übernehmen und damit den eigenen Marktanteil auszubauen bzw. nach der Übernahme die Kapazitäten zugunsten des Stammunternehmens vom Markt zu nehmen.

Was sich stark nach Großindustrie anhört, ist auch im Bereich der kleinen Unternehmen in stark zersplitterten Branchen zu finden.

Hoher Kapitalbedarf auch im Handwerk: Beispiel Kfz-Werkstätten

Auch hier sind vergleichsweise hohe Investitionen zu tätigen, um es mit den optimierten Werkstätten der markengebundenen Betriebe aufzunehmen.

Es werden Hallen benötigt, Hebebühnen, Analyse- und Fehlerdiagnosegeräte, Druckluftanlagen, Büroräume, EDV-Anlagen, Zugang zu Arbeitswert- und Ersatzteildatenbanken, Spezialwerkzeuge und ein Mindestmaß an Ersatzteilen.

Da kommt man sehr schnell auf siebenstellige Eurowerte. Erwirtschaftet die Werkstatt nicht die angenommenen Deckungsbeiträge und sind hohe Beträge investiert, fällt ein geordnetes Ausscheiden aus dem Markt sehr schwer. In der Regel beginnt dann der Preiskrieg gegen die Konkurrenz mit einer Abwärtsspirale nach unten und am Ende steht bei dem Unternehmen, daß über die schlechtesten finanziellen Ressourcen verfügt, die Insolvenz ins Haus.

Eine eigene Gestaltung des Marktaustritts ist dann nicht mehr möglich, eine typische Wirkung von Marktaustrittsbarrieren

Strategische Wechselbeziehungen

Nimmt man es genau, ergibt sich dieser Vorteil für alle schon länger im Markt agierenden Unternehmen, denn durch das immer größer werdende Netzwerk an Geschäftskontakten und -beziehungen werden für potenzielle Konkurrenten Hürden geschaffen, sowohl in den Markt einzutreten als auch auszutreten.

Strategische Wechselbeziehungen werden ebenfalls auch als strategische Gruppen bezeichnet (Hintergrundartikel zum Thema Clustering). In der Betriebswirtschaftslehre ist dies eine Gruppe von Firmen innerhalb einer Branche, die eine ähnliche Organisationsstruktur aufweisen oder eine ähnliche Wettbewerbsstrategie verfolgen. Dabei weisen die Unternehmen einer strategischen Gruppe ein einheitliches strategisches Verhalten auf. Diese Verhaltensweisen lassen sich nach dem Wirtschaftswissenschaftler Michael E. Porter in verschiedenen Dimensionen messen. Unter anderem zählen hierzu Preispolitik, Produktqualität, Service, etc. aber auch Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Produktsparten auf.

Wer einen enormen Bedarf an Mehl hat (z.B. eine Großbäckerei), kann sich z.B. überlegen, eigene Getreidemühlen zu betreiben oder gar Weizen auf eigenen Feldern anzubauen.

Wer jetzt denkt, das wäre abwegig, sollte sich die Braubranche einmal genauer anschauen. Nahezu alle Brauereien, auch mittlere bis kleine, züchten ihre Hefe selbst anstatt sie von Extern zuzukaufen. Das hat zum einen Qualitätsgründe, aber auch die strategische Wechselbeziehung zum „Hefemarkt“.

Die etablierten Unternehmen in einem Markt mit Fokus auf strategische Wechselbeziehungen investieren aktiv in die Schaffung von Mobilitätsbarrieren um Wettbewerber vom Markteintritt abzuhalten. Da dies meistens aufgrund des typischen Verhaltens in strategischen Gruppen alle Anbieter des Marktes tun, kooperieren Sie in dieser Hinsicht. Diese Kooperation findet zu Gunsten der Renditemöglichkeiten statt, sodass durch die geringere Zahl der Konkurrenten für jeden ein „Stück mehr vom Kuchen“ übrig bleibt.

Zurück zum Brauereibeispiel: Wenn es auf dem Markt keine Anbieter für spezielle Zuchthefen mehr gibt, weil alle etablierten Brauereien ihre Hefe selbst züchten, kann eine neue Brauerei ohne dieses Zuchtwissen nur schwer in den Markt eintreten. Es fehlt ja die frei verfügbare Hefe! Die bestehenden, etablierten Brauereien teilen sich den Markt der Bierkonsumenten untereinander auf.

Damit gilt:

Je geringer die Anzahl der Konkurrenten in einem Markt, desto höher die Möglichkeit der Rendite für den einzelnen Anbieter des betreffenden Marktes!

Emotionale Barrieren

Emotionen sind per Definition: … innere Empfindung, die als angenehm oder unangenehm empfunden werden und mehr oder weniger bewusst erlebt werden. Dabei können Emotionen z.B. Freude, Angst, Kummer, Überraschung sein.

Kein Unternehmer kann sich, wie jeder andere auch, vollkommen freimachen von Emotionen. Viele Entscheidungen werden nicht zu einhundert Prozent rational getroffen, sondern die Mehrzahl der Entscheidungen wird aus dem Bauch heraus getroffen (Hintergrundartikel: Bessere Entscheidungen treffen). Dabei spielen Instinkt und Erfahrung eine große Rolle. Das bedeutet aber auch, dass geschäftliche Entscheidungen auch direkt durch die Emotionen der Menschen beeinflusst werden.

Was bedeutet das nun in Bezug auf Marktaustrittsbarrieren?

Persönliche Befindlichkeiten

Steht nun in der Geschäftsführungsebene eines Betriebes zur Debatte, ob das betreffende Unternehmen aus einem Markt ausscheiden soll oder in diesem verbleiben soll, entscheiden meistens mehrere Leute über das weitere Vorgehen. In solch einem Fall kann es beispielsweise sein, dass der Geschäftsführer entgegen der Meinung seiner leitenden Angestellten einen Verbleib des Unternehmens im Markt fordert, da er persönlich immer gerne zu den Lieferanten für das Projekt gefahren ist oder es einfach „sein Baby war“, obwohl objektiv alles gegen ein weiteres Engagement spricht.

Beispiel 1 (nach einem existierendem Unternehmen):

Die Müller AG mit ihrem Geschäftsführer Hans-Peter Müller ist seit einigen Jahren schon in der Autoindustrie als Zulieferer für Sitzbezüge tätig. Durch die schwache Konjunktur und die Wirtschaftskrise sind die Umsatzzahlen stark gesunken. Darüber hinaus hat die Konkurrenz zugenommen und der Innovationsdruck ist gestiegen.

Die Müller AG liefert zudem noch der Möbelindustrie und der Flugzeugindustrie Sitzbezüge zu. Aus Sicht der Controlling Abteilung sind die Umsatzzahlen in diesen beiden Märkten noch ausbaufähig. Auf Grundlage dieser Situationsanalyse empfiehlt die Controlling Abteilung Herrn Müller einen Rückzug aus der Autoindustrie zu Gunsten einer Markterschließung im Bereich Möbel und Flugzeuge.

Nach intensiven Diskussionen mit Herrn Müller ziehen die Mitarbeiter des Controllings allerdings den Kürzeren, da Herr Müller vehement auf dem Verbleib im Automobilmarkt beharrt.

Es werden von Seiten Herrn Müllers verschiedene Gründe angeführt u.a. Statistiken, die belegen, dass die Autoindustrie bald einen Aufschwung erfährt oder auch andere Unternehmen in der Vergangenheit in solchen Situationen steckten und es auch wieder bergauf ging.

Der wahre Grund jedoch ist, dass Hans-Peter Müller die Sitzbezüge für Autos einfach so gerne in den Wagen sieht und es sein persönliches Aushängeschild ist, wenn er gefragt wird, was er denn beruflich tue. Dann kann er auf die Autos verweisen und sagen:

„Die Sitzbezüge für das bequeme Fahren habe ich mit meiner Firma gefertigt!“

An diesem einfachen Beispiel möchte ich verdeutlichen, wie schwer es für Außenstehende sein kann, emotionale Bindungen (die ja sehr oft nicht ausgesprochen sondern vielmehr verschleiert werden), zu erkennen. Jeder wundert sich dann über die „Verbohrtheit vom Alten“, spricht von „Beratungsresistent“ und anderem. Frust und Demotivation der Mitarbeiter ist dann oft die Folge, die eine Krise noch viel mehr befeuern.

Es ist also von höchster Relevanz, in solch wichtigen Entscheidungen auch dem ein oder anderen Mitarbeiter wie auch dem Geschäftsführer mal „auf den Zahn zu füllen“ um die wahren Gründe für seine Meinung heraus zu finden, um emotionale Marktaustrittsbarrieren aufzudecken.

Tipp: Fragestellungen in einzelne Faktoren zu zerlegen und damit die Komplexität zu verringern, geht kinderleicht mit dem Consideo iModeler.

Makel des Scheiterns

Daneben gibt es auch noch den Makel des Scheiterns. Gerade hier in Deutschland ist es gesellschaftlich verpönt, zu „Scheitern“ und sich bzw. anderen eingestehen (müssen), daß es halt nicht geklappt hat. Das will sich keiner antun und schleppt deshalb den Marktaustritt so lange vor sich hin, bis es dann wirklich nicht mehr anders geht. 

Administrative und soziale Restriktionen

Imageverlust und Zerstörung des Vertrauens

Dieser Fall tritt dann auf, wenn sich eine Firma aus der Produktion eines Produktes und damit aus dem Markt zurückziehen will, so kann dies zu einem Imageverlust für die gesamte Produktpalette führen bzw. in anderen Geschäftsfeldern zu einer Zerstörung des Vertrauens führen.

Beispiel 2:

Stellen Sie sich vor, dass die Müller AG ganz verschiedene Produkte herstellt. Darunter sind Kleber, Plastik-Spritzgussteile und Schaumstoffe jeglicher Art. Aufgrund dieser Produktvielfalt ist die Müller AG auf verschiedenen Märkten vertreten und pflegt vielfältige Kundenbeziehungen.

Unter den Kunden der Müller AG befinden sich ebenfalls Firmen, die auf vielen Märkten vertreten sind, aber teilweise auch auf dem gleichen Markt wie die Müller AG.

Man kennt sich, und das vielleicht schon sehr lange. Somit wird das „Geschäfte machen“ sowohl für die Müller AG als auch für alle anderen Partner einfacher, weil man im Laufe der Zeit gelernt hat, wie der „andere tickt“ und welches Geschäftsgebaren zur jeweiligen Unternehmenskultur gehört.

Aus diesen Umständen heraus ergeben sich Verhaltensweisen, die den Geschäftsablauf wesentlich effizienter und entspannter in der Abwicklung werden lassen.

Sollte nun eine Firma den Versuch unternehmen, in einen Markt einzusteigen, dort nur heuschreckenhaft schnell Gewinn abschöpfen zu wollen um dann wieder aus dem Markt auszusteigen und sich dann wieder auf die anderen Produkte konzentrieren möchte, so könnte dies einen Imageverlust der gesamten Firma zur Folge haben. Es wird bei solchen Aktionen so viel Vertrauen zerstört, dass bei die Geschäftspartner auf anderen Märkten viel vorsichtiger mit der Firma interagieren oder sogar Geschäfte sabotieren, um der Firma zu schaden.

Denken Sie hierbei an den zweifelhaften Ruf von Hedge-Fonds und Private Equity Firmen, den sich diese Unternehmen mit Ihrem Geschäftsgebaren „hart“ erarbeitet haben.

Es ist durchaus möglich, dass auch die Endkunden (Verbraucher) eine derartige Strategie einer Firma ablehnen und auch die anderen Produkte der Firma im Regal stehen bleiben.

Diese eher unsichtbaren Gefahren einer Abschöpfungsstrategie stellen ebenfalls eine von vielen Marktaustrittsbarrieren dar.

Staatliche Interventionen

Auch der Staat kann in besonderen Fällen in das Marktgeschehen eingreifen um Marktgegebenheiten zu verändern. Dies ist z.B. der Fall, wenn Subventionen vergeben werden, die an bestimmte Bedingungen gekoppelt sind. Durch diese Zweckgebundenheit oder Kopplung an Bedingungen ist ein Marktausscheiden oft nur schwer oder gar nicht möglich.

Somit können z.B. Fehlallokationen auf Märkten auch durch staatliche Intervention verhindert werden. Dies ist immer dann der Fall, wenn es um Güter geht die besonders vielen oder sogar allen Bürgern zu passablen Preisen und Bedingungen zugänglich sein müssen. 

Beispiel 3:

Der Konzern Deutsche Bahn AG ist für jeglichen Personennah- und Fernverkehr in Deutschland zuständig. Die Bürger haben aber keine Alternativen zu Deutsche Bahn AG, da der Konzern lange Monopolist war und theoretisch eine freie Preissetzung hat (mittlerweile gibt es auch einige Konkurrenten). Damit die Preise nicht durch die Decke schießen, hat der deutsche Staat für den Markt des Bahnverkehrs entsprechende Preisgrenzen gesetzt, indem eine Regulierungsbehörde über die Preise wacht.

Dem deutschen Staat obliegt ebenfalls der Verkauf und die Vergabe der Anteile des deutschen Bahnnetzes. Um eine Hit- and Runstrategie der Deutsche Bahn AG oder deren Mitwettbewerber zu verhindern, hat der deutsche Staat an die Deutsche Bahn AG einen Großteil des Netzes verkauft und diese „Lizenzvergabe“ an eine Laufzeit von 25 Jahren gekoppelt. Sollte ein Marktteilnehmer also doch aus dem Markt ausscheiden wollen, ist dies mit erheblichen Sanktionen des deutschen Staates verbunden, sowie der Ausgrenzung aus dem Verkauf von Lizenzen auf 50 Jahre.

Sie sehen an Hand dieses Beispiels, wie der deutsche Staat den Bahnverkehr so reguliert, dass die Preiserwartung der deutschen Bürger weites gehend erfüllt wird und ein auf 25 Jahre garantierter Betrieb des Bahnnetzes gegeben ist.

Zusammenfassung Marktaustrittsbarrieren

In diesem Artikel haben Sie nun die wesentlichen Marktaustrittsbarrieren kennengerlernt. Beziehen Sie diese in Ihre Überlegungen bei der Konkurrenzanalyse mit ein, um zu verstehen, warum Konkurrenzunternehmen auf Ihrem strategischen Spielfeld verbleiben, obwohl sie unrentabel arbeiten.

Marktaustrittsbarrieren sind nicht nur im Bereich der kapitalintensiven Großindustrie zu finden, sondern auch im Bereich der kleinen Unternehmen.

Es grüßt aus Bayreuth,
Axel Schröder


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